Almut Bues (Hrsg.) Die Aufzeichnungen des Do­minikaners Martin Gruneweg (1562 – ca. 1618) über seine Familie in Danzig, seine Handelsreisen in Osteuropa und sein Klosterleben in Polen. Bde. 1–4. Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2008. 1888 S., Ktn., Abb. = Quellen und Studien des Deutschen Historischen Instituts Warschau, 19, 1–4.

Die Aufzeichnungen des Martin Gruneweg sind eine außergewöhnliche Quelle. Sie verbinden traditionelle Chronistik mit neuartiger Reisebeschreibung und, besonders wichtig, mit einer sehr frühen Form der Autobiographie. Der Verfasser schreibt einerseits aus der Perspektive eines im Fernhandel erfahrenen Danziger Kaufmanns, andererseits, nach seiner Konversion zum Katholizismus und seinem Eintritt in den Dominikaner-Orden (1588), aus der eines katholischen Geistlichen. Thema sind die Jugend im deutschsprachig-protestantischen Milieu der Danziger Kaufmannschaft, die Erfahrungen seiner Handelsreisen, die ihn u.a. (als Bediensteter eines armenischen Handelshauses in Lemberg) bis nach Moskau und Istanbul führten, ferner seine Konversionsgeschichte, seine Reise nach Rom 1602 und der Weg zu seiner letzten Lebensstation: dem Dominikus-Kloster in Płock. Entsprechend breit ist das Spektrum an Fragen, die sich an diesen Text stellen lassen – gattungs- und kulturgeschichtliche sowie sozial- und regionalgeschichtliche.

In der Forschung ist das in der Danziger Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften aufbewahrte Manuskript seit den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts bekannt. Der Warschauer Mediävist Andrzej Poppe gab den Anstoß dazu (was im Vorwort der Edition leider nicht vermerkt ist), dass das 1993 gegründete Deutsche Historische Institut in Warschau eine Edition unternahm. Die Arbeiten an dem Vorhaben dauerten rund vierzehn Jahre und wurden von einem breiten Kreis von Experten in Polen, Russland und Deutschland unterstützt und durch Mittel der Gerda-Henkel-Stiftung gefördert.

Die wissenschaftliche Kommentierung des Manuskripts in Band 4 (Einleitung, Beilagen, Register) beeindruckt durch Detailfülle. Interpretatorisch kommt sie jedoch gewichtiger daher als sie eigentlich ist. So erfährt man hier alles über die Jugendjahre, über „Gruneweg und die Frauen“ oder über „Gruneweg und Homosexualität“ – auch über die Ordensgeschichte der Dominikaner im allgemeinen und in den polnisch-litauischen Ländern (S. 1589–1608). Dagegen wird z.B. die Frage nach Grunewegs hoch aufschlussreichem Zeugnis von den innerprotestantischen Bekenntniskonflikten in Danzig in den Sechziger- und Siebzigerjahren des 16. Jahrhunderts nicht systematisch diskutiert, ebenso wenig wie das, was der Bericht über Grunewegs Moskau-Reise in den Achtzigerjahren an (in der Tat wichtigen) Aufschlüssen über die Machtlage in der russischen Metropole zu dieser Zeit liefert. Hier und da vertut sich die Her­ausgeberin auch bei der Einordnung zentraler Ereignisse: Der Consensus Sendomirensis von 1570 war eben kein Beschluss des „polnischen Adels“, die drei großen protestantischen Bekenntnisse in Polen zu „tolerieren“ (S. 1585), sondern ein innerprotestantischer Bekenntnisaus­gleich. Die den Religionsfrieden betreffenden Bestimmungen der Warschauer Konföderation von 1573, des Schlüsseldokuments für die Geschichte konfessioneller Koexistenz in Polen-Litauen, zitiert die Herausgeberin nach der keineswegs wort- und inhaltsgetreuen Relation eines Wiener Diplomaten (ebenfalls S. 1585), anstatt auf den leicht zugänglichen Originaltext zurückzugreifen.

Den Kontakt mit der aktuellen Forschungsdiskussion konnte die Herausgeberin bei der Kommentierung leider nicht herstellen. Um so mehr bleibt für künftige Nutzer dieser wichtigen Quellenedition zu tun.

Michael G. Müller, Halle

Zitierweise: Michael G. Mueller über: Almut Bues (Hrsg.): Die Aufzeichnungen des Dominikaners Martin Gruneweg (1562– ca. 1618) ueber seine Familie in Danzig, seine Handelsreisen in Osteuropa und sein Klosterleben in Polen. Bde. 1–4. Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2008. = Quellen und Studien des Deutschen Historischen Instituts Warschau, 19, 1–4. ISBN: 978-3-447-05269-6, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 2, S. 296: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Mueller_Bues_Aufzeichnungen.html (Datum des Seitenbesuchs)