Erich Donnert, Edgar Hösch (Hrsg.) Altrussisches Kulturlexikon Franz Steiner Verlag Stuttgart 2009. 248 S., 30 Abb. ISBN: 978-3-515-09224-1.

Das von Erich Donnert verfasste, 1985 in Leipzig erschienene und 1988 in einer 2. Auflage nachgedruckte Altrussische Kulturlexikon hat seither als nützliches, reich bebildertes Hilfsmittel gedient, das allerdings deutlich die Zeichen der Entstehungszeit trug. So bedurfte die vorliegende Neuauflage einer gründlichen Über­arbeitung, die der Autor in Zusammenarbeit mit Edgar Hösch vorgenommen hat. Die überwiegende Mehrzahl der Einträge stammt von Donnert. Zahlreiche Artikel wurden erweitert, neue Stichworte wurden aufgenommen und die Terminologie wurde überprüft.

Das Lexikon geht von einem weiten Kulturbegriff aus, der nahezu alle historischen Bereiche umfasst; die im engeren Sinne kulturellen Phänomene werden aber ausführlicher darstellt. Besonders eingehend werden etwa die Begriffe „Literatur“ und „Kunst“, aber auch „Auto­kra­tie“ und „Goldene Horde“ behandelt, während, was überrascht, „Russische Orthodoxe Kirche“, „Mönchtum“ oder „Frauen“ nur knapp vorgestellt werden. Zahlreiche kleinere Artikel sind einzelnen Termini, Orten und wichtigen Persönlichkeiten des kulturellen und politischen Lebens gewidmet. Angesichts der fundamentalen Bedeutung der Novgoroder Birkenrindeninschriften für die Erforschung der Alltagskultur und Sprache der alten Rus ist schwer verständlich, dass der Eintrag „Birkenrindenschrifttum“ lediglich eine halbe Seite umfasst.

Dem Werk liegt die russische Meistererzählung Kiev – Moskau – St. Petersburg zugrunde, die die Stränge der Geschichte der Rus, die seit dem 14. Jahrhundert im Rahmen des Großfürstentums Litauen und des Königreichs Polen verliefen, ausblendet. Es ist deshalb besonders zu begrüßen, dass die Verfasser für die Geschichte der Ostslaven vor dem Mongolensturm nicht (wie noch in den alten Auflagen des Lexikons) die traditionelle russozentrische Terminologie (Russen, Russland, russisch), sondern (fast immer) den Begriff Rus verwenden. Den letzten konsequenten Schritt, für diese Periode auch den Terminus „altrussisch“ zu meiden und durch alt-ostslavisch zu ersetzen, haben sie allerdings nicht vollzogen. Die Moskauer Perspektive bringt mit sich, dass die nordöstliche Rus und die Geschichte des 15. bis 17. Jahrhunderts besonders ausführlich behandelt werden. Das zeigt sich deutlich an den zahlreichen Artikeln zu Autoren (oft zweitrangiger) ausländischer Russlandschriften des 16. und 17. Jahrhunderts. So wird zum Beispiel Christian Bomhower und Anthonis Goeteeris gleich viel Raum gewidmet wie den für die russische Kultur erheblich wichtigeren Maksim Grek und Metropolit Makarij. Demgegenüber fehlen Einträge zu Konstantinos Porphyrogennetos und Yajā von Antiochia und ihren grundlegenden Schriften zu den Anfängen der Rus, oder zu Ghillebert de Lannoy, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts Novgorod besucht und einen bemerkenswerten Augenzeugenbericht hinterlassen hat.

Ungeachtet dieser Monita, die man bei Nach­schlagewerken immer vorbringen kann, ist das Altrussische Kulturlexikon ein nützliches Hilfsmittel. Fast alle Einträge bieten zuverlässige Informationen und geben den aktuellen Wissensstand wieder. Besonders wertvoll sind die ausführlichen Verweise auf die einschlägige Fachliteratur und auf Internet-Ressourcen. Das Werk ist ansprechend aufgemacht, die Zahl der Abbildungen wurde gegenüber den alten Auflagen wohl aus Kostengründen allerdings erheblich reduziert und die Farbbilder wurden ganz weggelassen. Das Nachschlagewerk wird Studierenden der Geschichte und Slavistik, aber auch weiteren interessierten Kreisen, gute Diens­te leisten.

Andreas Kappeler, Wien

Zitierweise: Andreas Kappeler über: Erich Donnert, Edgar Hösch: Altrussisches Kulturlexikon Franz Steiner Verlag Stuttgart 2009. ISBN: 978-3-515-09224-1.275, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 2, S. 275: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Kappeler_Donnert_Altrussisches_Kulturlexikon.html (Datum des Seitenbesuchs)