Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Herausgegeben im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Band 58 (2010) H. 3, S.  460-461

Łukasz Kamiński, Grzegorz Waligóra (Hrsg.) Kryptonim „Wasale“. Służ­ba bezpieczeństwa wo­bec studenckich komitetów Solidarności 1977–1980. In­sty­tut Pamięci Narodowej War­sza­wa 2007. 518 S., Abb. = Do­ku­men­ty, 18. ISBN: 978-83-60464-38-0.

Unter dem Decknamen „Vasallen“ führte der polnische Sicherheitsdienst SB Ende der siebziger Jahre eine Operation durch, mit der die Studentischen Komitees der Solidarność SKS (Studenckie Komitety Solidarności) beobachtet wurden. Die Komitees waren ab 1977 in zahlreichen Universitätsstädten entstanden, und Ziel der Operation war es, sämtliche Informationen über die Komitees zentral zusammenzufassen und gleichzeitig Gegenmaßnahmen zu koordinieren.

Die wichtigsten Quellen aus den Aktenbeständen dieser Operation wurden nun in der Reihe „Dokumenty‟ des Instituts der Nationalen Erinnerung IPN (Instytut Pamięci Narodowej) veröffentlicht, in der bereits über 20 Quelleneditionen zur Volksrepublik erschienen sind. Dieser Quellenband umfasst 120 Notizen, Berichte, Meldungen und protokollierte Aussagen von in die studentischen Kreise eingeschleusten Geheimdienstmitarbeitern.

Die Quellen dokumentieren ziemlich genau, wer wann wo die SKS gründete, wo Gründungen scheiterten, wie viele Personen sich wann und wo trafen und wie staatlicherseits gegen die SKS vorgegangen wurde. Dabei ist es interessant nachzuvollziehen, mit welchen Methoden in die studentischen Kreise Agenten eingeschleust wurden, von denen es bei jedem der Komitees ein bis mehrere Dutzend gab, und wie auf die studentischen Aktivisten Druck ausgeübt wurde, zum Beispiel über deren Eltern.

Gemessen an den massenhaften Aktionen der Solidarność ab 1980 erscheinen die Aktivitäten der SKS Ende der 70er Jahre geradezu bedeutungslos. Seitenweise werden in den Akten Treffen und Diskussionen in Privatwohnungen dokumentiert, ohne dass etwas Außergewöhnliches geschah, etwa eine Demonstration oder ein Streik. Dennoch wurde die studentische Opposition mit viel Energie überwacht, und der Geheimdienst war offensichtlich gut über die Tätigkeiten der Studenten informiert. Kei­nesfalls hatte man die jungen Oppositionellen unter Kontrolle, aber immerhin gelang es, eine landesweite Organisationsform zu verhindern. Die Herausgeber schlussfolgern in ihrer Einleitung, dass sowohl die Machthaber als auch die polnische Opposition die SKS überschätzten; dies geschah bei den einen aus Angst und bei den anderen in Hoffnung auf politische Veränderung.

Hans-Christian Dahlmann, Warschau

Zitierweise: Hans-Christian Dahlmann über: Łukasz Kamiński, Grzegorz Waligóra (Hrsg.) Kryptonim „Wasale“. Służba bezpieczeństwa wobec studenckich komitetów Solidarności 1977–1980. Instytut Pamięci Narodowej Warszawa 2007. Abb. = Dokumenty, 18. ISBN: 978-83-60464-38-0, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 3, S. 460-461: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Dahlmann_Kaminski_Kryptonim_Wasale.html (Datum des Seitenbesuchs)