Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

 

Ausgabe: 59 (2011) H. 1

Verfasst von:Manfred Alexander

 

Benita BerningNach alltem löblichen Gebrauch“. Die böhmischen Königskrönungen der Frühen Neuzeit (1526–1743). Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2008. VIII, 264 S., 14 Abb. = Stuttgarter Historische Forschungen 6. ISBN: 978-3-412-20082-4.

Die Stuttgarter Dissertation bettet die böhmischen Königskrönungen seit der Übernahme der Herrschaft durch die Habsburger (1526) in die Erforschung der Herrschaftssymbolik der Frühen Neuzeit in Europa ein, indem sie einerseits den Stellenwert der Krönung als Legitimierung der Herrschaft des neuen Königs in einer sakralen Handlung und andererseits die „symbolische Kommunikation“ mit den Personen des Herrschaftsgebietes betrachtet. Diese allgemeine Fragestellung europäischer Geschichte erläutert die Verfasserin dann am Beispiel des Königreiches Böhmen, das in diesem Zusammenhang oft übergangen wird. Die böhmischen Verhältnisse weisen zwei Besonderheiten auf: Zum einen liegen durch die Krönungsordnung Karls IV. genaue Angaben über den Verlauf der Krönung und die dabei zu verwendenden Insignien vor, die bis zur letzten Krönung eines Königs von Böhmen (Ferdinand „der Gütige“ 1836) maßgebend blieben, zum anderen spiegelt sich im Verlauf der Krönungen und in den im Laufe der Zeit veränderten Riten die Problematik der Herrschaft in Böhmen wider. Letzteres ist der besondere Gegenstand der Arbeit.

Gemeint ist die Frage, ob der König durch die Wahl der Vertreter der Stände zu seiner Würde kam, die dann durch die Krönung ihren sakralen Charakter erhielt, oder ob er durch Geburt bereits designierter Herrscher war, dessen Herrschaft durch einen formalen Akt nur zeremoniell besiegelt und öffentlich verkündet wurde. Zwar bedeutete „Wahl“ in Böhmen selten eine freie Auswahl unter mehreren Kandidaten, denn Familienbeziehungen engten meist den Kreis der „Wählbaren“ ein (ein Blick auf die Adelsrepublik Polen hätte hier den Unterschied verdeutlicht), aber der hohe Adel wahrte seinen prinzipiellen Anspruch und konnte ihn auch mit der Wahl von Jiří von Poděbrad ein einziges Mal durchsetzen. Selbst die Wahl des Habsburgers Ferdinand I. 1526 passte wegen dessen Ehe mit einer Jagiellonin in dieses Schema; dann aber versuchten die Habsburger in der Folge, den Wahlcharakter durch den Erbanspruch zu ersetzten, und erreichten dies – durch politische Beharrlichkeit und glückliche Umstände – nach der Niederlage der Stände 1620 mit der „Vernewerten Landesordnung“ von 1627, in deren Folge die Stände ihre Macht verloren, nicht aber ihren Anspruch aufgaben, der sogar im 19. Jahrhundert zu erbitterten Protesten führte, als Franz Joseph auf die Krönung in Böhmen ganz verzichtete.

Die Verfasserin legt eine gründliche Untersuchung vor, die in einer angenehmen Sprache die diffizilen Probleme des gesamten Ablaufs der Krönungen erörtert. Diese reichen von dem Einzug des Coronandus in die Stadt Prag über den Verlauf der Zeremonie bis zur Beachtung der logistischen Probleme (Unterbringung und Versorgung der Teilnehmer). Dabei zeigt sich, dass im Wesentlichen die Vorgaben von Karl IV. beachtet, aber aus den politischen Verhältnissen der Zeit heraus manchmal geändert wurden; die Autorin erläutert dabei die feine Symbolik dieser Änderungen, ob etwa vor der Krönung dem Coronandus ein Schwert in der Scheide vorangetragen wurde, er also erst im Krönungsakt seine Würde und als dessen Zeichen das blanke Schwert erhielt, oder ob ihm später das blanke Schwert vorangetragen wurde als Zeichen dafür, dass er seine Würde durch die Krönung nur öffentlich machte (S. 101); oder wenn die katholische Kirche die Salbung am Haupt untersagte, weil dies der sakralen Weihe der Bischöfe vorbehalten blieb (S. 25). Viele solche Beobachtungen hat die Verfasserin aus einer Fülle von Quellen destilliert und damit die symbolträchtige Form des Herrschaftsantritts in den Rahmen einer kulturwissenschaftlich orientierten Betrachtung gestellt. Dazu passt, dass sie die Untersuchung durch persönliche Notizen des Erzbischofs von Prag Ernst Adalbert von Harrach ergänzen kann, der in den Jahren 1627, 1648 und 1656 die Krönungen vollzogen hatte und von den weniger feierlichen Nebenumständen der Krönung berichtete, die in den offiziellen Verlautbarungen übergangen wurden, aber die Beteiligten nicht als „hehre Gestalten“ (S. 198) zeigen. Betrachtungen über die bildlichen Darstellungen der „Herrschaftsinszenierungen“ runden die Arbeit ab.

Auch an einer guten Dissertation kann man Kritik üben: Die Kurfürsten des Reiches waren keine „Kaiserwähler“ (S. 35); schon Jadwiga in Polen wurde 1384 zum rex gekrönt, damit verliert Maria Theresia für 1741 ihre „Singularität“ als rex foemina (S. 182); die ausführliche Behandlung der Krönung des Protestanten Friedrich von der Pfalz hätte durch Beachtung der „Quellen zur Vorgeschichte und zu den Anfängen des Dreissigjährigen Krieges“ von Gottfried Lorenz (Darmstadt 1991) gewonnen und zu einer etwas anderen Einschätzung der Eingriffe des „Calvinisten“ in die äußere Gestaltung der Zeremonie geführt (S. 140). Dies ändert nichts an dem Lob dafür, dass die Verfasserin die böhmische Geschichte in überzeugender Weise als Teil der europäischen Geschichte behandelt hat.

Manfred Alexander, Köln

Zitierweise: Manfred Alexander über: Benita Berning "Nach alltem löblichen Gebrauch". Die böhmischen Königskrönungen der Frühen Neuzeit (1526–1743). Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2008. = Stuttgarter Historische Forschungen, 6. ISBN: 978-3-412-20082-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Alexander_Berning_Nach_alltem_loeblichen-Gebrauch.html (Datum des Seitenbesuchs)

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